Das Rätsel von der anderen Seite des Mondes
Nanja A. Strong: Das Rätsel von der anderen Seite des Mondes. Fatalla. 268 Seiten.
Abends am Strand lässt Dormin seinen Gedanken freien Lauf. Er schweift durch Straßen und Plätze, geht in Häuser und trifft die unterschiedlichsten Menschen. Dabei verschwimmen die Bilder seiner Gedanken und die der Realität miteinander. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden ein Kontinuum in dem er sich frei bewegt. Wenn die Abende am Meer besonders mild sind, kommt Mineana, setzt sich neben Dormino und lässt sich seine Geschichten erzählen. Für den Leser dieses Buches hat sie Nanja A. Strong aufgeschrieben.
Leseprobe:
Wenn Dormino abends am Strand sitzt, kommen ihm die seltsamsten Gedanken. Er denkt zum Beispiel an das Haus des Nachbarn, an die Mauer, die das Grundstück des Nachbarn von der Straße trennt und an die kleine hölzerne Tür, die er vor einigen Tagen in der Mauer entdeckt hat. Ein Teil der Mauer ist mit Efeu und wildem Wein berankt. Man sieht die Tür nur, wenn man genau hinschaut. Wahrscheinlich ist sie schon lange nicht mehr benutzt worden.
Das Licht des Mondes spiegelt sich in den Kräuselungen der Brandung. Dormino stellt sich vor, dass eine Frau aus der Tür kommt. Er sieht die Bilder so plastisch vor sich, als würde das, was da gerade in seinen Gedanken entsteht, wirklich passieren. Vielleicht hat sie einen Schlüssel dabei. Steckt sie den Schlüssel in das Schloss und schließt ab? Dormino kann es in den Bildern, die er sich vorstellt, nicht richtig sehen. Vielleicht lässt sie die Tür ja unabgeschlossen. Vielleicht war die Tür auch nie abgeschlossen. Ja er ist sich sicher, dass die Tür offen ist. Er könnte durch die Tür gehen. Die Frau geht aus der Tür hinaus, und er geht, etwas später, wenn sie schon am Ende der Straße ist und nicht mehr zurückschauen kann, durch die Tür hinein. Oder will er lieber der Frau folgen?
Die Geschichte in Dorminos Kopf verzweigt sich. Während er in seinen Gedanken der Frau folgt und, immer im sicheren Abstand, hinter ihr durch die Gassen geht, stellt er sich vor, wie es hinter der Tür aussieht. Wahrscheinlich ist da ein kleiner Innenhof, denkt er, vielleicht auch ein Garten. Ja, da wird ein Garten sein, ein Garten und eine große Terrasse. Die Terrasse ist mit Terrakottaplatten ausgelegte. Auf ihr stehen viele Blumentöpfe in den unterschiedlichsten Größen und Formen. Vor der Terrassentür weht ein Vorhang. Und während Dormino noch überlegt, ob er in das Haus hineingehen soll, merkt er, dass er in dem Teil der Geschichte, in dem er der Frau durch die Gassen folgt, mittlerweile in einem Teil des Dorfes angekommen ist, den er gar nicht mehr kennt.
Die Straßen sind hier etwas breiter, die Häuser höher. Es ist eigentlich schon die Straße einer Stadt. Die Straße weitet sich zu einem Oval, einem kleinen Platz. In der Mitte ein Springbrunnen. Hinten, etwas links, steht ein antiker Tempel, einige korinthische Säulen, sehr alt schon, und ein schlichter Dreiecksgiebel. Dormino hat die Frau aus den Augen verloren. Er setzt sich auf die Stufen des Tempels und schaut in die Abenddämmerung. Das Bild vom Meer, an dem er sitzt und der Blick in den Abendhimmel, den er in seinen Gedanken von den Stufen des antiken Tempels sieht, vermischen sich. Für einen Augenblick läuft die sich kräuselnde Brandung über das Pflaster des Platzes an dem der Tempel steht. Dormino sieht den Mond und er stellt sich vor, dass er ihn so auch an einem Fenster stehend sehen könnte. Auf der Terrasse hat er vor der Tür seine Schuhe ausgezogen, den Vorhang beiseitegeschoben und ist in das große Zimmer des Hauses gegangen. Er hat einen Blick auf die schweren Möbeln geworfen und ist dann langsam die Treppe hinaufgegangen in den ersten Stock. Die Tür zu einem kleinen Zimmer stand offen. Es konnte einen Schreibtisch sehen und eine Lampe. Jetzt steht er in dem Zimmer. Es ist ein Studierzimmer. Viele Regale und Schränke mit vielen Büchern.
Domino schaut sich die Bücher an. Sie sind in unterschiedlichen Sprachen. Sprachen die er kennt und Sprachen von denen er nicht einmal die Buchstaben entziffern kann. Aus dem Regal direkt neben dem Fenster nimmt er ein Buch heraus. Er blättert darin. Der Mond scheint hell in das Zimmer. Jetzt ist es schon wirklich Nacht. Doch das Mondlicht reicht zum Lesen gut aus. Er beginnt zu lesen.
Und damit ist Dormino dann schon in der dritten Geschichte. Er stellt sich vor, dass er das Buch ja auch auf den Stufen des antiken Tempels sitzend lesen könnte. Die Frau kommt aus dem Tempel und setzt sich neben ihn. Sie schaut auf das Buch, das er in der Hand hat. Sie sagt, dass sie dieses Buch auch hat, zuhause und dass sie es gerne gelesen hat. Dormono weiß nicht was er sagen soll. Er kann ihr doch nicht sagen, dass er, als sie einen Spaziergang gemacht hat, in ihr Haus gegangen ist und das Buch aus ihrem Zimmer genommen hat und dass er ihr aber auch bei ihrem Spaziergang gefolgt ist und deshalb jetzt hier mit ihrem Buch in den Händen auf den Stufen des Tempels sitzt. Das ist doch alles ganz und gar unmöglich, denkt er.
Dormino spürt den sanften Kuss eines weichlippigen Mundes im Nacken. Vor lauter Gedanken hat er gar nicht gemerkt, dass Mineana sich neben ihn gesetzt hatte.
"Na, du bist ja ganz in Gedanken", sagt sie.
"Ja", sagte Dromino und lächelt.
Artikeleigenschaften
- Autor
- Nanja A. Strong
- Seiten
- 268
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